Rettung eines Kleingewässers bei Wrechen
Als ich 2018 beschloss in die Feldberger Seenlandschaft zu ziehen, war mein Wohnziel eigentlich der Sander im Südwesten der Feldberger Seenlandschaft. Eine flache, sehr sandige Landschaft, die geprägt ist von Kieferwäldern, Trockenwiesen und Klarwasserseen.
Aber wie es so kommt, hat mich der Wohnungsmarkt in den Nordosten der Gemeinde verschlagen. Diese Gegend zeichnet sich durch sanfte Hügeln einer Endmoränenlandschaft und viele Söllen aus, wassergefüllten Toteislöchern aus der letzten Eiszeit. Der Boden ist sandig bis lehmig und zwischen landwirtschaftlichen Flächen breiten sich ebenfalls schöne Trockenwiesen aus. Die Seen in der Nähe sind nicht ganz so klar aber trotzdem gute Badegewässer.
Anfang April 2018, nach einem regenreichen Winter, zog ich also dort hin und wurde sogleich von der ersten Wärme der noch nicht zu erahnenden trockenen und heißen Sommer 2018 und 2019 erwartet. Das erste für mich unbekannte Geräusch in meiner neuen Heimat war die Unkenrufe der Rotbauchunke, die allgegenwärtig aus den wassergefüllten Söllen und überschwemmten Erlenbrüchen zu hören waren. Sie lockten mich zu einem wahren Kleinod, einem ca 6,4ha großen Kleingewässer, das eingerahmt war zwischen Gerstenäckern und einer ausgedehnten Weidenlandschaft. Das Gewässer hatte nur einen kleinen Drainagezulauf und musste ansonsten von Regen- und Schmelzwasser gefüllt worden sein.
Interessant waren vor allem die unterscheidlichen Strukturen, die ich dort vorfand: Flachwasserflächen mit ca 30-50 cm Tiefe, Flächen mit einer Tiefe bis ca 2,00 m, viele Büsche, ein Erlenbruch und sogar eine kleine Insel.
2018 und 2019 verbrachte ich viel Zeit dort und fotografierte die Tierwelt, die sich das Gelände als Heimat, Brutplatz oder Rastgewässer erkoren hatte. Welch ein Glück.
Denn im Dezember 2019 passierte etwas, was niemand für möglich gehalten hätte. Das Gewässer hatte die beiden heißen Sommer des Jahres und Vorjahres überstanden, aber an Weihnachten 2019 war das Wasser plötzlich fast komplett verschwunden. Die Geschichte des Wieso und der Rettung des Gewässers soll hier erzählt werden.
Ralf Mittermüller
24.12.2019 14:00: Ich entdecke bei einem Heiligabendspaziergang das Verschwinden des Wassers. Bei einem Rundgang um das Gewässer entdecke ich im Süden des Gebietes einen langen, frisch ausgehobenen Graben, aus dem das Wasser des Gewässers in ein oranges Abflussrohr fließt. Spuren eines Kettenfahrzeugs sind rund um den Graben zu erkennen.
24.12.2019 18:00: Ich mache einen Hilferuf in den E-Mail-Verteiler unseres BUND-Ortsverbandes in der Feldberger Seenlandschaft.
24.12.2019 19:00: Ich erhalte einen Anruf eines Gruppenmitgliedes, ich solle alles so schnell und gut wie möglich dokumentieren und eine Anzeige stellen.
25.12.2019 08:30: Ich erstelle bei der „Internetwache“ Anzeige gegen Unbekannt nach §329 StGB (Gefährdung schutzbedürftiger Gebiete) und §330 StGB (Besonders schwerer Fall einer Umweltstraftat). Das Gewässer liegt in einem FFH- und europäischen Vogelschutzgebiet und seltene und geschützte Arten sind dort von mir dokumentiert worden.
Zur Information: mit Stand 16.05.2022 ist der Fall noch nicht von der Staatsanwaltschaft bearbeitet worden!
25.12.2019 09:00: Ich erhalte Nachricht von einem Mitglied unseres BUND-Ortsverbandes, dass sie mit dem Notdienst des Wasser- und Bodenverbandes telefoniert hätte. Laut Aussage des Mitarbeiters am Telefon sei die Maßnahme genemigt und läge nicht einem FFH-Gebiet. Der Mitarbeiter sei aber nachmittags wegen Kontrolle des Vorgangs vor Ort und er erwarte mich dort.
25.12.2019 14:00: Ich treffe mich vor Ort mit dem zuständigen Mitarbeiter Wasser- und Bodenverband
„Obere Havel/Obere Tollense“. Im Gespräch wurde mir erzählt, dass die Drainage auf Antrag des anliegenden Bauern unter Federführung des Wasser- und Bodenverbandes ausgehoben wurde. Das Gewässer würde den Acker des Landwirtes vernässen. Der Antrag sei zwar schon 2018 gestellt worden, aber man sei jetzt erst dazu gekommen, dem nachzugehen. Alle zuständigen Behörden seien informiert und hätten Ihr OK erteilt, das Gewässer zu entleeren.
29.12.2019: Per E-Mail und Einschreiben erhält die Untere Naturschutzbehörde (UNB) in Waren von unserem BUND-Ortsverband einen Antrag zum Stoppen der Entwässerung inklusive Dokumentation zum Feuchtgebiet. Leider ist Urlaubszeit und die UNB bis 06.01.2020 nicht besetzt.
06.01.2020: Unser Ortsverband erhält eine E-Mail der UNB, dass die Maßnahme weder bekannt noch genehmigt sei und gestoppt wurde.
15.01.2020: Ein Vororttermin mit dem zuständigen Mitarbeiter des Wasser- und Bodenverbandes, einem der anliegenden Landwirte (dessen Flächen übrigens nicht vernässt waren) und je einem Mitarbeiter der UNB, der Unteren Waasserbehörde, des StALU und des Naturparks Feldberger Seenlandschaft findet statt.
Hier wird beschlossen schnellstmöglich einen festen Überlauf zu schaffen, der einen dauerhaften und rechtssicheren Zustand gewährleistet, damit sich das Gewässer entwickeln kann und der Landwirt keine Vernässung seiner Grünland- oder Ackerflächen zu befürchten hat.
Laut Gesprächsprotokoll soll sich der Wasserstand in der Zeit vom 06.01. bis 15.01. schon um 20 cm erhöht haben. Fotodokumentationen zeigen ein ganz anderes Bild: der Wasserstand ist gerade mal um 1cm gestiegen.
16.01.2020 – 07.06.2020: In den Winter- und Frühlingsregen steigt der Wasserstand und er sinkt auch wieder. Der Überlauf ist nach wie vor nicht gebaut worden.
07.06.2020: Bei einem Spaziergang zum Feuchtgebiet entdeckt ein Mitglied des BUND-Ortsverbandes, dass am provisorischen Überlaufrohr unterhalb des Wasserspiegels ein weiterer Abzweig existierte, der nur mit einem flachen Stein verschlossen war. Dort konnte Wasser weiterhin kontinuierlich in den Abfluss laufen ….
09.06.2020: Es erfolgte eine Anfrage an die UNB, wann der Überlauf endlich gebaut werden soll. Im Protokoll des VOT-Termins war ja von einer schnellen Umsetzung die Rede. Die Anfrage wurde von einer Dokumentation der Entwicklung seit dem 06.01.2020 begleitet.
Ende 06/2020: der Überlauf ist endlich gebaut worden.
02.09.2020: Da der ganze Ablauf von Seiten des Wasser-und Bodenverband (WBV) ‚Obere Havel/Obere Tollense’doch ‚etwas seltsam‘ war, erfolgte am 02.09.2020 noch eine Anfrage nach IFG (Informationsfreiheitsgesetz) MV an den WBV.
17.09.2020: Es erfolgt ein Antwortschreiben des WBV, die allerdings mehr Fragen offen lässt anstatt sie zu beantworten.
Ende Februar 2021: Mit dem Abtauen der starken Schneefälle des Winters ist deutliches Wasserrauschen im Überlauf zu hören, obwohl die Überlaufhöhe bei Weitem nicht erreicht ist. Ein Anfrage an den Wasser-Boden-Verband, wie es dazu kommen kann, wird freundlich wie folgt beantwortet:
Guten Tag Herr Mittermüller,
ist Ihnen bewusst, dass an diese Rohrleitung weitere Drainagen und Sölle angeschlossen sind? Diese Drainagen kommen von den Ackerflächen und haben nichts mit der Nassstelle am Einlauf der Rohrleitung zutun. Wenn Schnee schmilzt, kommt es nun mal zum Abfluss von Wasser.
Des Weiteren erwähne ich an dieser Stelle noch einmal, dass die Rohrleitung sowie der Überlauf von mir regelmäßig kontrolliert werden (zuletzt in dieser Woche). Sollte das diffuse Rauschen Sie weiterhin beunruhigen, lasse ich die Leitung gern von einer Kamera befahren, um Aufschluss über Einleitungen und Zustand zu erlangen. Die Kosten dafür tragen Sie bzw. der BUND-Ortsverband Feldberger Seenlandschaft zur Klärung des Geräusches und der Abflussmenge sicherlich gern. [Der Naturpark] und [die Untere Wasserbehörde] haben mich ebenfalls auf diese Thematik angesprochen, dort habe ich den Sachverhalt telefonisch erläutert.
Sollte Sie weitere Fragen oder Ideen haben, kontaktieren Sie mich bitte telefonisch. Ich habe zurzeit vielerorts mit Problemen zu tun, die mich vom Schreibtisch fernhalten.
Schade, es wäre natürlich schöner, wenn die Wasser aus den Äckern, die direkt in den Überlauf münden stattdessen im Gewässer landen würden …
Frühjahr 2022: Durch die starken Winterregen hat sich das Gewässer endlich bis ca. 15 cm unter der Überlaufhöhe gefüllt. Erste Wasservögel kehren zurück und der Ruf vieler Rotbauchunken ist weithin zu hören. Aber es ist auch zu erkennen, dass sich die Insel, die sich 2018 und 2019 innerhalb des Gewässers ausgebildet hatte, bei diesem Wasserstand nicht wieder enstehen. Hierdurch ist ein wertvolles Stück Brutgebiet verloren gegangen, das durch die Insellage gegen den Fuchs geschützt war.
18.05.2022: Es erfolgt eine Anfrage an die UNB, ob die Überlaufhöhe nicht um 30cm erhöht werden kann, damit sich die Insel wieder ausbilden kann. Nach unserer Schätzung hat der angrenzende Landwirt auch mit dem leicht erhöhten möglichen Maximalwasserstand keine Vernässung zu befürchten.
Wir berichten, wie es weitergeht…